Generation Manifest: Aufschrei statt Feelgood

Hannes Schrader schreibt in seinem Artikel “Die Feelgood-Demokraten”, wir ließen die politische Debatte verkümmern. Dabei verkennt er, was unsere Generation wirklich bewegt. Eine Replik.

Ja, Politik ist hart. Und anstrengend. Klimaschutz zu fordern ist einfacher als den Netzausbau zu planen. Und das Steuersystem ist ganz schön kompliziert. Doch wer genauer hinsieht erkennt, dass die neue politische Generation alles andere als „Feelgood“ ist. Sondern ein Aufschrei.

Ein Aufschrei, weil sich politische Debatten anfühlen wie ein grauer Polyester-Anzug von C&A. Visionen für eine bessere Welt werden so lange von alten weißen Männern in kleinstmögliche Teile zerlegt, bis sie nur noch die marktkonforme Hülle ihrer selbst sind. Ein feuchter Furz auf Seite 73 des Bundesgesetzblattes. Immer mit dem heiligen Gral der Argumente: Arbeitsplätze, die Industrie, der Standort Deutschland. Irgendwo zwischen angeekelt und resigniert scrolle ich weiter, wenn sich die Bundesregierung auf die Energiewende feiert.

Versteht mich nicht falsch. Die Mäßigung in der deutschen Politik war eine der größten Errungenschaften nach dem zweiten Weltkrieg. Dass unsere Gesellschaft in vielen wichtigen Fragen zu einem Konsens gekommen ist, ist ein Geschenk der Demokratie. Aber nach Konsens kommt Einschlafen. Nach zwölf Jahren Tiefschlaf reibt sich gerade eine ganze Generation entsetzt die Augen. Warum darf, wer Geld hat, weiter Treibhausgase in die Luft pusten? Warum wird unsere offene Gesellschaft gerade kampflos an ein paar Rechtspopulisten aufgegeben? In einer Politik-Blase in Berlin wird mit unserer Zukunft gespielt.

Und immer wieder kommt: „Wenn ihr was verändern wollt, dann geht doch in die großen Parteien.“ Ich kann es nicht mehr hören. Wie beim Gender Pay Gap suchen diese Menschen die Schuld bei den Individuen, nicht bei den Institutionen. So wie es mir als junger Mensch in einer großen Partei geht, müssen sich viele Frauen in Gehaltsverhandlungen fühlen: Schön, dass du hier bist, aber ernst nehmen wir dich nicht.

Also gründen wir eben eigene Parteien, in denen endlich wieder Platz ist für Visionen. Die verrückte Ideen wie das Grundeinkommen wenigstens einmal testen wollen. Die nicht sofort an mögliche Stimmenverluste denken, wenn sie sich klar gegen die menschenverachtenden Positionen der AfD stellen. Für die Mitbestimmung mehr als ein billiges Schlagwort auf Parteitagen ist.

Wir schreiben Manifeste, organisieren Demos und starten Petitionen. Ja, wir wissen, dass das mit den Löhnen nicht so einfach ist. Und dass die Situation in Syrien vertrackt ist. Aber das darf doch nicht dazu führen, dass wir nur noch den Status quo verwalten. Eine Politik, die sich in Details und Alternativlosigkeit verliert, ist Nährboden für Rechtspopulisten. Viel zu oft dient „so einfach ist das aber nicht“ als Totschlagargument.

Deswegen wollen wir wieder über die Themen reden, um die es wirklich geht: Was müssen wir jetzt machen, um den Klimawandel zu stoppen? Warum spielt es in Deutschland eine Rolle, in welchem Viertel ein Kind geboren wird? Und wie soll das Europa von morgen aussehen?

Wir lassen die politische Debatte nicht verkümmern, wir versuchen sie zu retten.

 

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