Nationale Gleichstellungsstrategie ohne Strategie – Ein Kommentar.

Das Bild zeigt einen Mann und eine Frau jeweils zur Hälfte

Am 8.7.2020 beschloss das Bundeskabinett die Nationale Gleichstellungsstrategie, die federführend von Familienminsterin Giffey initiiert wurde. Neun Ziele und 67 Maßnahmen sind dort formuliert, alles alte Hüte. Aber wir von DEMOKRATIE IN BEWEGUNG sind ja schon froh, dass überhaupt etwas passiert. Progressiv geht allerdings anders.

Schauen wir uns das Ganze mal genauer an: Es sind also insgesamt 67 Maßnahmen formuliert. Wie gut, dass man einige davon auch direkt schon abhaken kann, die schon umgesetzt sind. Da ist ja von vornherein der Erfolg schon eingebaut. Umgesetzt sind beispielsweise schon die Maßnahmen „Starke-Familien-Gesetz“ und „Recht auf befristete Teilzeit“ beim Ziel „Eigenständige wirtschaftliche Sicherung“. Okay, wollen wir mal nicht kleinkariert werden, es gibt ja noch viele nicht umgesetzte Maßnahmen.

Ein Sammelsurium aus dem Koalitionsvertrag

Beim Ziel „Mehr Frauen in Führungspositionen“ irritiert als Erstes, dass dort lediglich zwei Maßnahmen auftauchen. Und gleichzeitig wird deutlich, was diese Strategie denn eigentlich ist: Sie ist im Grunde nicht mehr als eine Sammlung von im Koalitionsvertrag bereits formulierten Arbeitszielen dieser Bundesregierung. Da ist dann der FDP-Abgeordneten Suding Recht zu geben, dass dieser Strategie die Strategie fehle. Eine der beiden Maßnahmen dieses Ziels ist die Sanktionierung der Nichterreichung der von den Unternehmen sich selbst auferlegten Frauenquote in Vorständen und Führungsebenen sowie die Begründungspflicht, sofern diese Unternehmen die Frauenquote bei 0 ansetzten. Diese Maßnahme ist längst überfällig und das Gesetz, so wie es seit Anfang 2016 gilt, ist eine lächerliche Farce.

Die zweite Maßnahme des Ziels „Mehr Frauen in Führungspositionen“ soll regeln, dass die Frauenquote in Bundesgremien auch dann gilt, wenn dieses Gremium lediglich aus zwei Mitgliedern besteht. Dass eine solche Neuregelung überhaupt nötig ist, ist Blamage genug. 

Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit

Beim Ziel „Vereinbarkeit von Sorgearbeit und Erwerbsarbeit erreichen“ wird unter anderem die Maßnahme formuliert „Familienpflegezeit prüfen“. Da kann man ja schon stutzig werden. Nur prüfen? Ja okay, manchmal muss man ja vorsichtig formulieren, es könnte immerhin sein, dass schon alles gut ist. Und dann hat man mal geprüft und gut. Aber sollte man nicht ohnehin laufend prüfen? Muss man das als Maßnahme wirklich erst noch formulieren? Klickt man weiter, kommt erstmal erneut der Verweis auf den Koalitionsvertrag. Im Unterpunkt „Gleichstellungspolitische Relevanz“ sind dann ein paar Informationen zu lesen. Für Menschen, die sich mit der Thematik beschäftigen, nicht neu. Der letzte Satz dort lautet: „Die Möglichkeit zur Aufnahme eines zinslosen Darlehens nach dem Familienpflegezeitgesetz wird allerdings seit Inkrafttreten der Neuregelungen zum 1. Januar 2015 nicht wie erwartet genutzt.” Wir bei DiB wollen ja eigentlich nicht ironisch werden, aber hier muss ich dann doch fragen: Ach, wirklich? Es ist wohl verwunderlich, dass man kein Darlehen, also Schulden aufnehmen will, wenn man Familienangehörige pflegt? Das war wohl nicht vorhersehbar? Das muss ich erstmal überprüfen?

Enttäuschung pur

Also diese „Strategie“ ist tatsächlich sehr enttäuschend. Aber wie oben geschrieben, muss man ja schon froh sein, dass überhaupt etwas passiert. Denn wenn ich mir die Kritik von Beatrix von Storch durchlese, wird deutlich, dass die AfD hierbei nichts verstanden hat. Gar nichts. Ich gebe das hier lieber nicht wieder.

Dieser „Strategie“ zur Gleichstellung, bei der es sich um Geschlechtergleichstellung handelt, bleibt aber aus einem weiteren Grund hinter progressiven Erwartungen zurück. Seit 2013 bereits existiert der Geburtsregistereintrag „divers“. Dieser ist an sich zwar kritikwürdig, es wird aber deutlich, dass es neben Frauen und Männern noch weitere Geschlechter gibt. Diese werden in der Strategie nicht gesehen. Erste Ansätze wären wünschenswert gewesen.