Wir brauchen keine Festung

„Wir brauchen keine Festung. Wir brauchen nicht mehr Sicherheitsmaßnahmen. Wir brauchen Vertrauen und Zuversicht, um gemeinsam für eine bessere Gemeinschaft zu kämpfen.“

Im April 2015 kenterte das Boot von über 700 Menschen kurz vor Lampedusa. Sie waren auf der Flucht. Alle sind tot.

Am 2. September 2015 wurde der dreijährige Alan Kurdi am türkischen Strand angespült. Er war auf der Flucht. Jetzt ist er tot.

Zwei Tage später brechen Tausende Menschen aus Budapest auf; Menschen, die vor Krieg und Hungersnot in ihren Heimatländern fliehen und in Ungarn keine Hilfe bekommen. Sie sind auf der Flucht, sie sind am Leben. Die Bundesregierung in Deutschland heißt die Menschen willkommen und setzt damit ein Zeichen. Ein Zeichen des Friedens. Auch ich stand vor zwei Jahren in Dortmund am Bahnhof, früh morgens bis abends, klatschte, umarmte die Menschen, sammelte Kleidung und Essen und unterstützte tage- und wochenlang Notunterkünfte. Mit einigen der Geflüchteten habe ich heute noch Kontakt.

Viele Menschen, so viele, das kann ich mir manchmal kaum vorstellen, fliehen vor Krieg. Manche sterben im Krieg, andere sterben auf der Flucht. Der Moment, in dem die deutsche Politik sich für diese Menschen eingesetzt hat, war unabdingbar.

Wie sieht es heute aus? Schon kurz darauf gab es viel Hass und Hetze. Geflüchtetenunterkünfte wurden attackiert, die Politik wurde attackiert. Es wird von unserem Land, meinem Land, unserem Geld, ihrer Kultur und Terrorismus gesprochen. Obergrenzen werden eingefordert, Menschlichkeit wird wieder klein geschrieben. Die Angst regiert.

Am 12. September 2017 startete seit längerer Zeit das erste Flugzeug mit Geflüchteten, die nach Afghanistan abgeschoben wurden. Denn in Afghanistan gibt es jetzt „sichere Gebiete“. In Afghanistan herrscht Krieg. Die Bundesregierung setzt damit ein Zeichen. Ein Zeichen der Härte.

Es gibt natürlich auch diejenigen, die sich für Geflüchtete und Fluchtursachenbekämpfung einsetzen, auf der Straße und in der Politik. Aber was passiert letztendlich?

Europa baut eine Festung.

Die Balkanroute ist nicht mehr begehbar. Das Mittelmeer ist ein riesiger Friedhof, Seenotrettungsboote werden behindert, Freiwillige verhaftet. Jede/r soll dort bleiben, wo er/sie herkommt. Jetzt könnten wir denken, dass die deutsche Bundesregierung damit nichts zu tun hat, denn all dies passiert in anderen Ländern. Leider ist dem nicht so.

Deutsche Politiker/innen knüpfen Bünde mit nordafrikanischen Warlords, unterstützen Libyen mit Waffen für heimische Grenzkontrollen, damit Geflüchtete nicht nach Europa kommen. Deutschland unterstützt Diktaturen und exportiert Waffen in Krisenregionen. Anstatt uns für die Menschen einzusetzen, anstatt Fluchtursachen entgegenzuwirken, heizen wir mit Geld und Wissen die Konflikte an und sorgen dann auch noch dafür, dass die Menschen nicht die Möglichkeit haben, aus diesen Regionen zu fliehen. Ich nenne das menschenverachtend, ich nenne es Mitschuld an unzähligen Morden. Ich schäme mich, wenn ich nicht laut werde, wenn ich mich nicht für eine Politik stark mache, die die Menschen in den Vordergrund stellt.

Warum macht die Politik das? Die Angst treibt. Das führt dazu, dass wir die Menschenwürde hinten anstellen. Das führt dazu, dass die Gemeinschaft der Menschen an Wert verliert.

Wie geht es anders? Wir brauchen eine Politik, die nicht geleitet ist von Angst, Hass, Hetze, Missgunst und Egoismus. Wir müssen es schaffen, dass die Menschenwürde wieder über Kapital, Macht und Sicherheitsdenken steht. Denn eine Festung führt zur Verschärfung der Lage, führt zu noch mehr Gewalt. Aber das schaffen wir nur, wenn wir gemeinsam erkennen, dass die Zukunft der Gemeinschaft, die Zukunft aller Menschen und des Friedens auf dem Spiel steht.

DEMOKRATIE IN BEWEGUNG setzt sich dafür ein, dass die Menschenwürde unser politisches Handeln leitet.

Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass wir im Rahmen einer neuen Außen- und Friedenspolitik die Rüstungsexporte stoppen, durch die weltweit Konflikte verschärft werden. Dass wir die Seenotrettung unterstützen, dass wir menschengerechte Asylverfahren entwickeln und den Menschen nicht mit Misstrauen, sondern mit Zuversicht entgegentreten und Rassismus bekämpfen. Dass wir unseren Reichtum teilen, die UN und das Völkerrecht als Handlungsrahmen betrachten. Und Europa in gemeinsamer Mission dazu bringen, nicht aus Machtgier sondern aus Gemeinschaftssinn zu agieren.

Denn Frieden, und zwar weltweiter Frieden, braucht ein radikales Umdenken.

 

 

Foto: Flickr by campact.

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